Die Gründung der Burschenschaften
Zur richtigen Beurteilung der Burschenschaften ist auch die Kenntnis der Entstehungsgeschichte notwendig. Die deutschen Korporationen sind eine von vielen Eigenheiten unseres Volkes und stehen in der Welt einmalig dar.
Sie sind es wert, einer eingehenden Betrachtung unterworfen zu werden..
Die Entstehung der studentischen Korporationen
In den ersten Universitäten im Mittelalter waren die fern von der Heimat studierenden Hochschüler je nach deren Herkunft in "Nationen" zusammengefaßt. Die erste in Deutschland (genauer im Heiligen Römisch-Deutschen Reich) gegründete Universität befand sich in Prag (1348), gefolgt 1365 von Wien. Aus diesen Nationen entwickelten sich landsmannschaftliche Verbindungen loser Art und daraus durch den Einfluß der Aufklärung die Orden, die erstmals auch das Lebensbundprinzip aufwiesen, gegen Ende des Jahrhunderts jedoch verschwanden.
Das Gedankengut des studentischen Zusammenschlusses lebte weiter und brachte um 1800 die Landsmannschaften und Corps hervor. Auch hier der freiwillige Beitritt und das Lebensbundprinzip. Die Mitglieder wurden zum Tragen des dreifarbigen Bandes verpflichtet. Das Zusammengehörigkeitsgefühl entstand durch die Herkunft aus der gleichen Gegend. Und erstmals werden die Anfangsbuchstaben des Namens der Korporation in einem Zuge geschrieben und bilden damit den eigenen Zirkel
Napoleon Bonaparte, der Eroberer
1789 fegt die Französische Revolution den Adel hinweg. Napoleon Bonaparte beginnt seine Eroberungszüge und stürzt sich auf das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, dessen Hauptstadt Wien war. Er siegt in Ulm, Austerlitz und bindet im Rheinbund 16 deutsche Fürsten an sich. Er zwingt den Deutschen Kaiser Franz II. den Titel und die Krone des "Römischen Reiches Deutscher Nation" niederzulegen. Ein Reich, das von 936 bis zum 6.8.1806 bestanden hatte, zerfällt.
Napoleon besetzt ganz Norddeutschland. Der Nürnberger Dichter Johann Palm wird von den Franzosen erschossen, da er eine Schrift "Deutschland in seiner tiefsten Erniedrigung" verfaßt hatte. Doch da setzt der Widerstand gegen den Imperialisten ein.
Und gleichzeitig weht der Wind der geistigen Erneuerung durch Deutschland, der bald zu einem Sturm werden sollte. Die Staatsverwaltung, das Bildungswesen, das Heereswesen werden reformiert. Johann Gottlieb Fichte hält in Berlin seine berühmten "Reden an die Deutsche Nation", Ernst Moritz Arndt beantwortet die Frage, was des Deutschen Vaterlandes sei, so gründlich, volksverbunden und zeitlos, daß seine Antwort noch heute seine Gültigkeit hat:
Ist's Baierland, ist's Steierland, ist's Österreich, ist's Pommerland?
Nein!
...Das ganze Deutschland soll es sein!
Friedrich Ludwig Jahn's Schrift "Deutsches Volkstum" begründet das volkstümliche Turnen, das mit einem glühenden Patriotismus verbunden wird. Im Süden Deutschlands werden in den Habsburgerländern ebenfalls Reformen durchgeführt.
Andreas Hofer: Mander, s'ischt Zeit
Inzwischen beginnt es in Tirol, das nach dem Frieden zu Preßburg an das mit Frankreich verbündete Bayern gefallen ist, zu gären, da die Besetzer jede Rücksichtnahme auf die konservative katholische Bevölkerung vermissen lassen. Und auch hier wirkt sich die beginnende nationale Begeisterung so aus, daß die französische Besetzung erst recht abgelehnt wird. Der Gastwirt Andreas Hofer organisiert den Widerstand bei den Tiroler Bauern, die mit Sensen und Gabeln gegen die Übermacht antreten.
Durch den nationalen Schwung angeregt, wagt Hofer etwas außerordentliches: Er wendet sich an die Soldaten Bayerns und des Rheinbundes und beschwört "seine deutschen Brüder ... gegen die Fremdherrschaft zu kämpfen". Er bittet die deutsche Nation um Hilfe! Doch die Zeit war dazu noch nicht reif, Bayern blieb bei Napoleon. In den Schlachten am Berg Isel kann Hofer dreimal widerstehen, die vierte wird zur Niederlage. Andreas Hofer wird 1810 hingerichtet.
"Es blutete der Brüder Herz - Ganz Deutschland, ach in Schmach und Schmerz"
dichtet 1832 der deutsche Dichter und Burschenschafter Julius Mosen. Und eine Strophe des Andreas Hofer Liedes lautet:
Doch als aus Kerkergittern
Im festen Mantua
Die treuen Waffenbrüder
Die Händ er strecken sah,
Da rief er laut: Gott sei mit euch,
Mit dem verrat'nen Deutschen Reich.
Und mit dem Land Tirol!
Der deutsche Burschenschafter Julius Mosen erfaßte die ganze tragische Wahrheit:
1809 eine vergebene Chance, 1832 noch immer kein Reich !
Das ist Lützow's wilde verwegene Jagd!
Napoleon scheint unbesiegbar und marschiert bis Moskau.
In Preußen wurde inzwischen ein modernes Volksheer geschaffen und der Aufruf des Königs "An mein Volk" führt zur Meldung von zahlreichen Freiwilligen zu den Freikorps. Eine Welle der Begeisterung bringt ein neues Zusammengehörigkeitsgefühl. Denn jetzt, als sich die Vorherrschaft Napoleons über ganz Europa ausgebreitet hatte, wurde der Kampf gegen diesen übermächtigen Gegner zur Geburtsstunde eines neuen deutschen Nationalgefühls.
In das Freikorps des Majors von Lützow trat auch Theodor Körner, der in Wien lebte und studierte. In das Lützow'sche Freikorps brachte er durch seine Freiheits- und Kampflieder weitere Begeisterung. Die Lützower tragen schwarze Röcke mit roten Aufschlägen und goldenen< [goldenen] Knöpfen. Napoleon wird in der Völkerschlacht bei Leipzig und in Waterloo vernichtend geschlagen. Deutschland und auch das übrige Europa atmet auf.
Der Deutsche Bund
1815 wird auf dem Wiener Kongress der "Deutsche Bund", die "heilige Allianz", geschlossen, ein Staat, der die Nachfolge des früheren Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation antritt und aus Österreich, Preußen und vielen anderen Ländern besteht und dessen Sitz in Frankfurt ist. Österreich's Staatskanzler Metternich wird praktisch der alleinige Herrscher über Deutschland. Der Metternich'sche Polizeistaat gestattet keine Freiheiten. Die Presse wird zensuriert, den Menschen werden die Bürgerrechte verweigert, man darf keine eigene Meinung haben. Er baut ein geheimes und brutales Bespitzelungssystem auf. Kam man auf eine nicht genehme Meinung, so wurden in den Gesinnungsprozesen langjährige Haftstrafen verhängt.
Die erste Burschenschaft
Theodor Körner, Ernst Moritz Arndt und Friedrich Ludwig Jahn hatten inzwischen den bis dahin losen Begriff Volkstum verdichtet, sie werten Volksgemeinschaft höher als Landesherrschaft und Standesunterschiede. Jahn und Friesen gründeten 1810 den "Geheimen Deutschen Bund", der praktisch die erste, nationale, politische Verbindung war und das Vaterland von der französischen Herrschaft befreien sollte. Friesen arbeitet eine Denkschrift "Ordnung und Errichtung der deutschen Burschenschaften" aus, worin er "einen neuen zeitgemäßen Typ von Studentenverbindungen" aufzeigt. Hier fällt zum ersten Male der Begriff Burschenschaft. 1814 kommt es in Halle zur Gründung der ersten Burschenschaft Teutonia, mit dem Wahlspruch "Freiheit, Ehre, Vaterland" und mit den drei Farben des Lützower Freikorps schwarz-rot-gold, die als Dreifarbband getragen werden.
Schwarz - rot - gold sind also die ureigensten Farben der Burschenschaft.
Die Gründung der Deutschen Burschenschaft
Nach und nach begeisterten sich viele Landsmannschaften für die neue Art der Verbindung. Am 12. Juni 1815 treffen sich Landsmannschaften und Corps mit ihren Fahnen auf dem Marktplatz von Jena, ziehen zum Gasthof Tanne und senken ihre Fahnen, zum Zeichen der Auflösung. Nach dem Verlesen der Verfassungsurkunde der Burschenschaft wird diese von den Gründungsmitgliedern unterschrieben und mit dem neuen Siegel versehen. Einer dieser Unterzeichner ist der Theologiestudent Johann Georg Binder aus Hermannstadt im österreichischen Kronlande Siebenbürgen. Das Lied "Was ist des Deutschen Vaterland?" von Arndt schließt die Gründung der Burschenschaft.
Diese Gründung war nun ein ganz entschiedener Akt, begangen in der Bewußtheit der Not des deutschen Volkes und zur Überwindung der nationalen Zerissenheit. Das in der Aufklärung verkündete Weltbürgertum wurde als unnatürlich abgelehnt. "Die Reinheit der deutschen Sprache, die Ehrbarkeit der deutschen Sitten, die Eigenart deutschen Brauchs, überhaupt alles zu fördern, was Deutschland groß und stark ... machen konnte" bringt es Haupt unter einen Nenner. Und zu diesen ehrlichen und anständigen nationalen Grundsätzen gesellt sich auch eine tiefe sittlich-religiöse, im Christentum wurzelnde Einstellung.
Das Wartburgfest
Es bilden sich bald an allen Universitäten neue Burschenschaften. Am 18.10.1817, dem Jahrestag der Völkerschlacht von Leipzig, dem Beginn der Befreiung von der französischen Fremdherrschaft und der 300-Jahrfeier der Reformation, treffen sich Burschenschafter aus fast allen Universitäten, auch aus Wien, auf der Wartburg bei Eisenach. Fast ein Fünftel aller Studenten Deutschlands sind dort versammelt. Die Feier wird mit dem Lied "Ein feste Burg ist unser Gott" eröffnet, natürlich singen auch die Katholiken mit. Es kommt zum regen Gedankenaustausch und zur Anbahnung der Gründung einer "Allgemeinen Deutschen Burschenschaft".
Die "Grundsätze und Beschlüsse des 18. Oktober" waren ein Programm, das in mancher Hinsicht weit in die Zukunft zeigte, modern und doch auch realistisch maßvoll. Manche Punkte sind heute noch nicht verwirklicht. Im Einzelnen:
- Staatliche, wirtschaftliche, kirchliche Einheit.
- Einheitliches deutsches Recht.
- Rede- und Pressefreiheit.
- Versammlungsfreiheit
- Gleichheit vor dem Gesetz.
- Öffentliche Gerichtsverfahren, Geschworenengerichte.
- Allgemeine Wehrpflicht.
- Im Falle eines Bruderkrieges solle jeder Deutsche Bursche seine Mitwirkung verweigern.
- "die christlich-deutsche Ausbildung einer jeden leiblichen und geistigen Kraft zum Dienste des Vaterlandes"
Diese Forderungen zeigen bereits einen hohen Grad von Moral und dem ehrlichen und anständigen Bestreben, der Allgemeinheit zu dienen. Sie sind heute schon teilweise erfüllt, damals muteten sie aber geradezu revolutionär an.
Die Burschenschaften erweisen sich also als die Träger der fortschrittlichen demokratischen Ideen und erhalten weiteren Zulauf.
Aber die Reaktion der Fürsten bleibt nicht aus. In zahlreichen, oft halbwahren Darstellungen wird gegen die Burschenschaften gehetzt. Und der Führer des Deutschen Bundes, Metternich, sendet Spitzel, auch in die Reihen der Burschenschaften. Bald wird sich Nacht über die Burschenschaften senken ...
Version 3 -- 1.11.2012
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